Meine allererste Färbung mit natürlichen Materialien war die Färbung eines Merino-Seidengemischs mit Avocadokernen und -schalen. Eine Freundin hatte mir davon erzählt und auf Ausflügen ins weltweite Netz hatte ich Artikel darüber gelesen.
Von den schönen Farben, die man dabei erzielen kann, war ich sofort begeistert:
altrosa und dunkelviolett.
Allerdings war einer der erste Kommentare unter dem Post der fertigen Handstulpen, die ich mir aus dem „Avocadogarn“ gestrickt hatte, ein vernichtender: “ du weißt schon, dass die Farben schnell ausbleichen und ein hässliches Braun entsteht?!“
Nein! Das wusste ich nicht, aber ich ließ mich davon auch nicht entmutigen.
Es kann doch nicht sein, dass man Jahrhunderte mit natürlichen Stoffen gefärbt und alles in kürzester Zeit seine Farbe verloren hat.
Wie sieht es aus mit alten Teppichen, Wandbehängen und Kleidungsstücken?
Natürlich findet man digital schon eine Menge an Information darüber, aber ein Gang in ein Textilmuseum lohnt sich da auf jeden Fall.
Eine schöne Abteilung zu diesem Thema hat z.B. das Münchner Stadtmuseem oder auch das Textilmuseum in Mindelheim. Dort kann man sehen, dass in früheren Jahrhunderten sehr bunte Kleidung getragen wurde, gefärbt natürlich mit den Farben der Natur.
Allerdings sieht man auch, dass diese Farben mal mehr, mal weniger verblasst sind, je nachdem, wie sehr die Textilien der Sonne ausgesetzt waren, wie oft sie gewaschen und natürlich auch je nachdem mit was sie gefärbt wurden.
Inzwischen hat sich viel geändert. Wir färben unsere Stoffe mit chemischen Farbstoffen, die eine hohen Farbreinheit, Brillianz und Intensität haben. Kleidung, Polstermöbel und Teppiche müssen nicht mehr so lange halten – Kleidung oft nur eine Saison, dann werden sie ersetzt.
unten Lieblings-T-Shirt nach ca.5 Wäschen
Was sich allerdings nicht geändert hat: auch chemisch gefärbte Textilien waschen sich aus und verblassen an UV-Licht. Jeder kennt es. Nach der 10. Wäsche des schwarzen Lieblings-T-Shirts kann es schon sein, dass es nicht mehr so schön schwarz ist, ja vielleicht hat es sogar einen leichten Grünstich bekommen. Geschäftsinhaber müssen höllisch aufpassen dunkle T-Shirts und Pullover nicht ins Sonnenlicht zu hängen oder legen, da es sonst schnell zu hellen Streifen an den Ärmeln oder Faltkanten kommt.
Aber auch natürlich gefärbte Textilien bleichen aus , sowohl bei der Wäsche durch Ausbluten, als auch im Sonnenlicht, ganz so wie ihre modern gefärbten Kollegen.
und was ist jetzt Gebrauchsechtheit?
Die Gebrauchsechtheit gibt die Widerstandsfähigkeit von gefärbten Textilien gegenüber äußeren Einflüssen wie Licht, Wäsche, Reibung und Schweiß an.
So wird die Lichtechtheit zum Beispiel über die sogenannte Wollskala bestimmt, die von Lichtechtheit 8 bis zu Lichtechtheit 1 geht. Dabei wäre 8 absolut lichtecht und 1 sehr gering.
Eine 100% Lichtechtheit gibt es bei Textilien allerdings nicht und so liegt z.B. bei Dekostoffen mit dem Vermerk „lichtecht“ eine Lichtechtheit von 5-6 vor, was schon sehr gut ist.
Um rauszufinden wo meine gefärbten Garne auf der Lichtechtheitsskala liegen habe ich intensiv getestet.
Jedes gefärbte Garn wurde auf Karton gewickelt und eine Seite über Wochen der Sonne und dem Licht ausgesetzt. Da wurde dann schnell klar, welche Farben bleiben dürfen und welche ich nicht in mein Färbekochbuch aufnehme.
links mit Lichteinwirkung, rechts ohne
Ebenso bin ich mir der Waschechtheit verfahren.
Aus allen Färbungen, die den Lichtechtheitstest gut überstanden hatten, habe ich kleine Probeläppchen gehäkelt, teils mit weißem Garn umrandet, um Ausbluten besser sichtbar zu machen.
Dann wurde gewaschen, gewaschen, gewaschen: Handwäsche über Handwäsche, Maschinenwäsche über Maschinenwäsche.
Das Ergebnis meiner Versuche war, dass fast alle Farben in der Sonne ausgeblichen sind, aber eben stark unterschiedlich.
Ausgeblutet bei internsiver Wäsche sind nur die Garne, die mit Indigo oder Cochenille gefärbt waren. Aber, dass intesive Farben ausbluten weiß sicher jeder, der schon mal einen weißen Socken oder ein helles T-Shirt aus Versehen mit einer neuen Jeans oder einem neuen roten Sweatshirt gewaschen hat.
Wenn ihr mich jetzt fragt: sind deine Garne denn auch lichtecht, dann würde ich euch antworten:
ja , sie haben eine ziemlich gute Lichtechtheit von ca. 4 und ja, sie werden im Laufe der Jahre verblassen.
Aber sie tun das, im Gegensatz zu manchem verblassten T-Shirt, ganz harmonisch und die Farben passen auch dann noch wunderbar zusammen.
So ein Strickstück erzählt ja auch ein Stück Geschichte, ist immer im Wandel und in Veränderung – so, wie ihr auch und man darf sehen, dass Wolle getragen wird.
Ich verspreche euch, wenn ihr eure Strickstücke nur in den finsteren Schrank legt, dann behalten sie ihre Form, und auch die Brillianz ihrer Farben. Aber wollt ihr das?
Natürlich nicht!
Damit ihr lange Freude an euren Werken habt, egal ob herkömmlich oder mit Naturmaterialien gefärbt, rate ich dazu Decken und Kissen nicht über längere Zeit dem direkten Sonnenlicht auszusetzen. Aber zum Beispiel eine Babydecke mit Naturfarben könnt ihr ganz normal benützen.
Pullover, Schals, Mützen und Tücher könnt ihr wie immer tragen, nur muss man muss sie ja nicht nach jedem Tragen waschen. Lüften über Nacht an der frischen Luft reicht oft völlig aus. Sollte einmal eine Wäsche nötig sein, dann Handwäsche, mit Wollwaschmittel ohne Weichspüler.
Passt auf euch auf,
eure Angi
p.s. übrigens habe ich mir die Versuche mit Schweiß und Reibung erspart 😉
Liebe Angi,
Das war jetzt aber wirklich sehr interessant.
Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht und daher habe ich auch tatsächlich etwas dazugelernt.
Dankeschön.
🙂
Liebste Grüße
Sabine
P. S. Die Ergebnisse der Tests mit Reibung und Schweiß hätten mich jetzt aber auch interessiert… *g*
Liebe Sabine, ja die Frage nach dem Verblassen ist wohl die am häufigsten gestellte Frage. Aber ich finde ein mäßiges Verblassen ist ganz ok. Wir verblassen ja auch mit der Zeit – zumindest unsere Haare 😉